Doria, 23
Wie diskutiere ich richtig?
Doria (23) hat mit Tamara (15) über das Thema Diskussionskultur gesprochen. Was, wenn ich zu einem Thema nicht weiter weiß oder wenn aus einer Diskussion ein Streit wird? Tamara ist Mitglied im Debattierclub ihrer Schule und hat auch an dem Wettbewerb „Jugend debattiert“ teilgenommen – sie ist Expertin. Wie führe ich eine gute Diskussion und worauf sollte ich achten? Setz dir einfach deine Kopfhörer auf und klicke dich durch die Audios.
„Findest du, dass die Politik ein gutes Beispiel dafür ist, richtig zu diskutieren?“
„Ich finde nicht wirklich. Vor allem Politiker:innen-Debatten oder auch Reden von Politiker:innen sind oft relativ ungehalten und sie sind gleichzeitig überzeugt von einer Sache.“
„Wie sorge ich dafür, dass man mir in einer Diskussion zuhört?“
„Es ist immer wichtig, dass man auf einer persönlichen und emotionalen Ebene diskutiert.“
„Was mache ich, wenn jemand mit mir eine Diskussion führen möchte?“
„Hier ist das Wichtigste, nicht direkt abzublocken.“
„Was mache ich, wenn ich merke, dass eine Diskussion zu hitzig wird?“
„Es bringt nichts, wenn eine Diskussion oder Debatte ausschließlich auf persönlicher Ebene stattfindet.“
„Was sagst du zur Debattenkultur im Internet?“
„Ich finde die Diskussions- und Debattenkultur im Internet leider ganz schlimm. (…) Streits über Messenger zu lösen, ist keine gute Idee.“
„Hast du Tipps, um mit Beurteilungsangst umgehen zu können?“
„Ich finde, wenn man merkt, dass in einer Situation gerade etwas falsch ist, sollte man das auf jeden Fall ansprechen.“
„Wie sieht eine gute Körperhaltung in einer Diskussion aus?“
„Auf jeden Fall ein gerader Rücken, sich aufrichten, die Brust raus.“
Kann man diskutieren lernen und wenn ja, wie fängt man am besten an?“
„Ich würde hier natürlich sagen, dass die Teilnahme an „Jugend debattiert“ oder an anderen Debattier-AGs, die an der Schule angeboten werden, sehr hilfreich sind.“
Tamara hat an dem Wettbewerb „Jugend debattiert“ teilgenommen. Mit eurer Schule könnt ihr dort ab Klasse 5 teilnehmen und lernen, wie ihr gut zuhören, Fragen stellen und streiten könnt. Damit könnt ihr an Wettbewerben auf Landes- und Bundesebene teilnehmen. Inzwischen gibt es das Programm in mehr als 35 Ländern weltweit.
Doria: Hallo liebe Leute! Heute werden wir diskutierten, und zwar über die Diskussionskultur. Ich werde Tamara heute einige Fragen stellen, um herauszufinden, wie ich eigentlich richtig diskutiere. Hallo Tamara, du bist ja Expertin in der Sache. Wie ist es dazu gekommen, dass du so gut kontern kannst?
Tamara: Ich habe mich Anfang vergangenen Schuljahres bei der Debattier-AG an unserer Schule angemeldet und habe dann gleich an den Jugend debattiert Wettbewerben teilgenommen und dann dort durch die ganzen Wettbewerbsdebatten und die Siegerseminare, die wir dort hatten, sehr viel dazugelernt diesbezüglich.
Findest du, dass die Politik ein gutes Beispiel dafür ist, richtig zu diskutieren?
Doria: Wenn ich an diskutieren denke, dann muss ich gleich an Politiker*innen Debatten denken. Die machen das ja eigentlich professionell und scheinen irgendwie in jedem Moment zu wissen, was man sagen soll, auch wenn es stressig wird. Sowas fällt mir persönlich immer im Nachhinein ein. Aber findest du eigentlich, dass die Politik ein gutes Beispiel ist, richtig zu diskutieren?
Tamara: Also, ich finde nicht wirklich, denn was vor allem sehr auffällig ist bei Politiker Debatten oder auch Politiker Reden, dass die immer relativ ungehalten und gleichzeitig überzeugt von einer Sache sprechen und das hat natürlich bei den Wähler*innen dann den Effekt der Überzeugung und auch der Ahnung von dem Thema. Aber es geht relativ selten um tatsächliche Kausalketten, sondern viel mehr um rhetorisches Geschick. Also sehr viele lange verschachtelte Sätze, Wortneuschöpfungen, übermäßige Übertreibungen oder einfach nur das Runtermachen von anderen Parteien und die Politiker*innen wissen natürlich trotzdem ganz genau, dass Worte auch Gefühle auslösen können. Und ich finde ja vor allem die Debattenkultur respektlos. Es wird sich viel reingeredet, wenn man sich mal Interviews anguckt oder auch die Bundestagsreden, wo ja teilweise im Hintergrund ganz andere Dinge passieren und den Politiker*innen gar nicht richtig zugehört wird und vieles leider auf einer sehr persönlichen Ebene passiert und einfach nur aus Prinzipien alle dagegen sind. Ich würde mir da bisschen mehr Respekt auch innerhalb der Politik wünschen und dass mehr Anstand innerhalb der Gesprächskultur herrscht.
„Wie sorge ich dafür, dass man mir in einer Diskussion zuhört?“
Doria: Ich bin zwar keine Politiker*in, aber es gibt natürlich trotzdem Konflikte in meinem Alltag, die ich selber lösen möchte. Wenn ich etwas anspreche, was mich bewegt, habe ich oft die Sorge nicht ernstgenommen zu werden. Wie sorge ich dafür, dass man mir in einer Diskussion zuhört?
Tamara: Das hängt natürlich immer von deinem Gegenüber ab. Aber es ist immer wichtig, dass man auf einer persönlichen und emotionalen Ebene diskutiert. Natürlich auch ohne beleidigend zu werden, sich auch nicht einschüchtern zu lassen. Wichtig ist vor allem die Körperhaltung. Man sollte Offenheit zeigen, Selbstbewusstsein zeigen und man sollte sich nicht aufgrund seines Alters, seines Geschlechts oder seiner Betroffenheit bezüglich des Themas eingeschüchtert fühlen. Gleichzeitig natürlich auch nicht allmächtig wirken. Auch auf das Gegenüber eingehen und nicht nur alles negieren. Verständnis zeigen und gleichzeitig die eigene Meinung begründen, denn am Ende sind Argumente auch nur die Verbindung von begründungsbedürftigen Behauptungen. Dabei ist es vor allem wichtig, die andere Person ausreden zu lassen, auch dort Verständnis zu zeigen. Gleichzeitig sich aber für die eigene Meinung einzusetzen.
„Was mache ich, wenn jemand mit mir eine Diskussion führen möchte?“
Doria: Und jetzt mal andersherum gefragt: Wenn jemand mit mir eine Diskussion anfängt, wie gehe ich damit am Besten um? Hast du da auch ein paar Tipps für mich?
Tamara: Hier ist vor allem das Wichtigste, nicht direkt abzublocken. Man braucht als Gegenüber, also wenn jemand mit dir eine Diskussion anfängt, möchte man ja immer das Gefühl haben gehört zu werden, das ist ja immer ganz Wichtig. Und wenn man in diesem Moment gerade keine Lust hat, eine Diskussion oder eine Debatte zu führen, dann kann man ja einfach vorschlagen, später noch einmal darüber zu reden. Es ist auch hier vollkommen okay, seine Unwissenheit zu gestehen oder zu sagen, ich muss mich hier erstmal informieren und mir erstmal eine eigene Meinung bilden bevor ich mit dir darüber reden kann. Wenn man dann natürlich aber eingeht auf die Diskussion ist es auch wichtig Dinge zu hinterfragen, auch hier wieder auf Gefühle einzugehen und selbstbewusst die eigene Partei zu vertreten.
„Was mache ich, wenn ich merke, dass eine Diskussion zu hitzig wird?“
Doria: Oft wird so eine Diskussion vielleicht zum Streit. Ich glaube das passiert einfach dann, wenn man zu emotional getroffen ist oder einfach starke Meinungsunterschiede hat. Was mache ich, wenn ich merke, dass eine Diskussion zu hitzig wird?
Tamara: Hier ist es am Besten einfach abzubrechen. Es bringt nichts, wenn eine Diskussion oder Debatte ausschließlich auf persönlicher Ebene stattfindet. Man sollte nicht über Alltagsprobleme oder persönliche Probleme mit einer Person sprechen, sondern über das Thema. Und auch hier schon wie in der vorherigen Frage nicht direkt abblocken. Man sollte lieber akzeptieren, dass es Meinungsunterschiede gibt und wenn man an einem bestimmten Punkt merkt, es geht einfach nicht mehr weiter, weil sich das Gegenüber oder man selbst sich zu angegriffen fühlt, dann sollte man Verständnis zeigen und in dem Moment einfach die Diskussion abbrechen. Und vor allem auch hier förderlich ist es, während der Diskussion viel eher Bitten zu äußern anstatt zu fordern und auch hier wieder Verständnis für die Gefühle der anderen Partei zeigen.
„Was sagst du zur Debattenkultur im Internet?“
Doria: Was mir in letzter Zeit auch aufgefallen ist, ist allgemein diese Debattenkultur im Internet. Wenn eine Person zum Beispiel eine*n Influencer*in etwas sagt, was nicht richtig ist, wird die Person oft ziemlich fertig gemacht und im schlimmsten Fall verbannt. Das kann Karrieren aber auch Freundschaften zerstören. Wie findest du das?
Tamara: Ich finde die Diskussions- und Debattenkultur im Internet leider ganz schlimm. Was viele dabei leider vergessen ist, dass das Internet und Social Media-Plattformen und auch andere Chatforen kein rechtsfreier Raum sind. Ja es herrscht die Meinungsfreiheit, aber diese Meinungsfreiheit darf man nur äußern, solange man die Freiheit anderer Leute nicht einschränkt und das ist ganz wichtig. Viele Leute fühlen sich durch ihre Anonymität geschützt und denken es ist auf einmal alles möglich. Das größte Problem hierbei ist, dass du keine echte Person dir gegenüber hast. Du kannst Mimik und Gestik nicht interpretieren und häufig fehlen auch einfach die echten Argumente. Sondern es wird einfach in s Blaue hinein beleidigt. Auch hier ein Tipp: es ist nie sinnvoll einen Streit über Messenger zu lösen, weil du Gefühle dabei gar nicht richtig aufnehmen kannst. Häufig ein Problem im Internet ist auch, dass man sich in Bubbles befindet. Dadurch passiert es häufig, dass die verschiedenen Parteien die verschiedenen Argumente gar nicht richtig austauschen können, weil sich dann häufig riesige Meinungsgruppen bilden, die alle auf eine Person schießen und gar kein richtiger Diskurs zustande kommen kann.
„Hast du Tipps, um mit Beurteilungsangst umgehen zu können?“
Doria: Ich finde das Phänomen wichtig, weil sich einige Leute im Alltag auch deswegen eher zurückhalten aus der Angst etwas Falsches zu sagen vor allem, wenn es sich um wichtige und aktuelle Themen handelt. Sie halten sich ja dann eher komplett raus. Hast du Tipps, um mit solcher Beurteilungsangst umzugehen?
Tamara: Generell ist es nicht hilfreich, Missstände zu ignorieren. Ich finde, wenn man merkt, dass in einer Situation gerade etwas falsch ist, sollte man das auf jeden Fall ansprechen. Dabei ist es aber vor allem wichtig, dass man mit Sachwissen beitragen kann. Es bringt nichts eine Diskussion zu beginnen, ohne darüber Bescheid zu wissen. Wenn man sich zu alleine fühlt oder wenn man Angst hat seine Meinung vor einer großen Gruppe alleine zu äußern, kann es häufig auch helfen sich Verbündete zu suchen oder auf jeden Fall auch ein selbstbewusstes Auftreten an den Tag zu legen, denn Körpersprache ist so unheimlich wichtig beim Argumentieren und dann mit einem souveränen Auftreten seine Argumente logisch zu erklären, zu verknüpfen und Schlussfolgerungen daraus zu ziehen.
„Wie sieht eine gute Körperhaltung in einer Diskussion aus?“
Doria: Du hast jetzt mehrmals die Körpersprache angesprochen. Darf ich mal fragen, wie eine gute Körperhaltung in einer Diskussion aussieht?
Tamara: Ja, also wenn man die stehende Situation hat, dann auf jeden Fall ein gerader Rücken, sich aufrichten, die Brust raus. Super super wichtig ist es, seine Hände zu verwenden: gestikulieren. Es gibt ja verschiedene Arten der Mimik und Gestik. Du kannst taktgebende Mimik und Gestik verwenden. Sinnvoller ist es, die betonende Gestik zu verwenden. Dabei kannst du dann zum Beispiel, wenn du ausschweifende Bewegungen machst, ein großes Publikum ansprechen oder eine größere Menschengruppe ansprechen oder durch andere Arten der Bewegung das Gesagte nochmal untermalen. Dabei sind die Hände und Arme sehr wichtig, aber natürlich auch Blicke zu bestimmten Personen. Wenn du über sie redest, Blicke ins Publikum, wenn man vor einer größeren Menge von Menschen redet, aber auch im kleineren bei Streits immer die Person angucken, damit sie sich auch angesprochen fühlt.
„Kann man diskutieren lernen und wenn ja, wie fängt man am besten an?“
Doria: Wir hatten ja ganz am Anfang über Diskussionskultur in der Politik geredet und haben dabei festgestellt, dass es dort etwas kritisch abläuft. Kann man jetzt eigentlich diskutieren lernen und wenn ja, wie würde ich anfangen?
Tamara: Diskutieren kann man auf jeden Fall lernen. Ich würde hier natürlich sagen, dass die Teilnahme an Jugend debattiert oder an anderen Debattier AG`s die an der Schule angeboten werden sehr hilfreich sind diesbezüglich. Da lernt man alles was mit Körperhaltung, Körpersprache zu tun hat, aber auch deutliches sprechen, wie drücke ich mich am Besten aus, wie formuliere ich lange und kurze Reden, strukturierte Reden. All sowas, aber man kann sich dazu natürlich auch überall im Internet belesen und es ist vor allem wichtig, bei sich selbst anzufangen. Es bringt nichts zu versuchen die anderen zu ändern. Am besten ist es immer, wenn man selber einen guten Teil zu einer Debatte beitragen kann.
Doria: Danke Tamara für den mega guten Einblick. Ich fühle mich auf jeden Fall viel mehr bereit auf die nächste Diskussion die auf mich zukommt. Gibt es noch etwas, was du sagen möchtest?
Tamara: Erstmal möchte ich mich ganz herzlich für das Gespräch bedanken und vielleicht konnte ich ja den ein oder die andere dazu motivieren, jetzt auch mal mit jugend debattiert anzufangen oder sich intensiver in Diskussionen einzubringen.
Doria: Auf jeden Fall. Danke an euch fürs zuhören und wenn euch mehr zum Thema Medien und Politik interessiert, gibt es noch viele weitere Beiträge bei wtf. Bis dann!