Gendern? Eine Argumentationshilfe

Rebekka, 24

Gendern? Eine Argumentationshilfe

Gendern ist ein sensibles Thema. Manche fühlen sich davon gestresst, da sie nichts falsch machen wollen oder ihnen gegenderte Sprache mitunter etwas kompliziert vorkommt. Andere fragen sich, ob mit gendergerechter Sprache wirklich Gerechtigkeit erreicht werden kann. Viele Personen sind jedoch auch der Ansicht, dass Gendern eine gute Möglichkeit ist, um alle Menschen mit einzubeziehen und zur Gleichberechtigung beizutragen.

Unternehmen, wie zum Beispiel die Lufthansa oder die Deutsche Presse-Agentur (dpa), arbeiten an der Umsetzung von gendergerechter Sprache. Vom Rat für deutsche Rechtschreibung wurde der Genderstern allerdings bisher noch nicht in das Amtliche Regelwerk aufgenommen, da der Schreibwandel, der momentan passiert, nicht durch vorgegebene Regeln beeinflusst werden soll.

Da es so viele verschiedene Positionen und Möglichkeiten des Genderns gibt, findest du hier einige Tipps bei Argumenten, die häufig zum Thema Gendern genannt werden und dir vielleicht auch helfen können, die Debatte um das Gendern besser zu verstehen.

1. „Gendern führt nicht zu einer besseren Bezahlung von Frauen

Zuerst einmal geht es beim Gendern nicht nur um Frauen, sondern gerade auch darum, alle Menschen mit einzuschließen. Also beispielsweise auch diejenigen, die sich keinem Geschlecht zuordnen möchten. Außerdem würde geschlechtergerechte Sprache die Gleichberechtigung trotzdem weiter fördern, denn Studien (z.B. diese) haben gezeigt, dass Sprachen, die neutraler sind, dafür sorgen können, dass Menschen offener über Geschlechterrollen nachdenken.

2. „Man denkt beim generischen Maskulin (also der männlichen Bezeichnung) automatisch auch an Frauen. Frauen sind auch grammatikalisch immer mit gemeint.“

In der Sprachpraxis sind Frauen tatsächlich weniger mitgemeint, die männliche Form gilt also nicht unbedingt als Universalform, sondern meint auch wirklich Männer (dazu gab es zum Beispiel eine Studie von 2022). Sprache prägt das Denken und die Konstruktion der eigenen Wirklichkeit sehr stark. So ist es zum Beispiel auch mit der kindlichen Vorstellung von Berufen. Wenn also Berufe in der männlichen und weiblichen Form benannt werden, trauen sich Mädchen eher zu, auch „typisch männliche“ Berufe zu ergreifen (wie z.B. diese Studie zeigt). Auch wenn man also für sich selbst der Meinung ist, Frauen automatisch mitzudenken, kann es zum Beispiel für Kinder einen großen Unterschied machen. Ein interessantes Experiment hierzu, das du gerne auch mal ausprobieren kannst:

Vater und Sohn fahren im Auto. Sie haben einen schweren Unfall, bei dem der Vater sofort stirbt. Der Junge wird mit schweren Kopfverletzungen in ein Krankenhaus gebracht und soll dort sofort vom Chef-Chirurgen operiert werden. Die Operation wird vorbereitet, alles ist fertig, als der Chef-Chirurg erscheint, blass wird und sagt: „Ich kann nicht operieren, das ist mein Sohn!“. Frage: In welchem Verwandtschaftsverhältnis stehen der Chirurg und das Kind?“ Weißt du es? Ist es ein uneheliches Kind, eine Adoption?*

*Die Antwort ist: Der Chirurg ist die Mutter des Kindes, also eigentlich die Chirurgin. War das deine erste Assoziation?

3. „Gendern behindert den Lesefluss.

Das generische Maskulinum ist keine grammatikalische Notwendigkeit, für die es keine Alternativen gibt. Es ist also eher eine alte Gewohnheit des Sprachgebrauchs. Sprache verändert sich ständig und sollte somit der aktuellen Gesellschaft angepasst werden, in der Frauen gleichberechtigt sind. Sprachwandel kann im ersten Moment zwar unangenehm erscheinen, es kann aber durch häufigere Verwendung Gewöhnung einsetzen (Quelle). Es gibt außerdem zahlreiche Varianten, das Gendern umzusetzen und dabei kann man auch so geschickt vorgehen, dass es keine negativen ästhetischen Auswirkungen hat. Gendern kann die Präzision, also die Genauigkeit, von Texten erhöhen.

4. „Durch das Gendern wird das Geschlecht überbetont.

Es gibt noch keine Studien, die belegen, welchen Effekt das hat und somit auch nicht, ob das überhaupt einen negativen Effekt haben kann. Durch verschiedene Varianten des Genderns kann man das aber teilweise auch umgehen, indem man beispielsweise statt „Teilnehmer*innen“ das Wort „Teilnehmende“ verwendet. Allgemein kann es aber doch als etwas Positives gelten, wenn Frauen sichtbarer werden.

5. „Man fühlt sich bevormundet, weil einem das Gendern aufgezwungen wird.

Das Anwenden von gendergerechter Sprache muss nicht aufgezwungen werden und sofort auf alle Texte angewendet werden, sondern kann flexibel passieren und je nach Text und Textsorte variieren. Außerdem gibt es unterschiedliche Muster, nach denen man gendern kann. Unsere Sprache ist ja außerdem schon seit 1880 durch Rechtschreibregeln normiert, an die man sich ebenso anpasst.

Insgesamt ist das Gendern immer noch im Prozess, so wie unsere Sprache ja auch einem ständigen Wandel ausgesetzt ist. Natürlich kann man auch nicht annehmen, dass das Gendern allein ausreicht, um Gleichberechtigung herzustellen. Trotzdem ist die Gendersprache sehr vielfältig und kann positive Effekte haben.

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