Simon, 18
„Wir alle wollten das“
Eine der Politiker:innen, die intensiv an der Gesetzes-Neuerung mitgewirkt haben, ist Anna Cavazzini. Sie ist sächsische Abgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen im Europaparlament. 2020, ein Jahr nach ihrer Wahl ins EU-Parlament, wurde sie außerdem noch Vorsitzende des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz und sitzt damit an einem der wichtigsten Schalthebel, was das Aufstellen von Regeln für Produkte in den Mitgliedsstaaten der europäischen Union betrifft.
Wir haben Anna Cavazzini schriftlich vier Fragen zur EU-Ladekabelverordnung gestellt. Und hier sind ihre Antworten.
Es dauert nun ja nicht mehr lange, bis die neuen Regelungen zu Ladekabeln in der EU in Kraft treten. Was erwartet uns dann? Was wird für jemand, der sich ein neues Handy kaufen möchte dann anders?
Wer sich ab nächsten Sommer ein neues Handy kauft, kann sich sicher sein, dass es mit dem USB-C-Ladekabel aufgeladen werden kann. Das gilt für alle kleineren Geräte wie Digitalkameras, Kopfhörer oder Tablets. Damit hat das Kabelwirrwarr in der Technikschublade ein Ende und man hat immer das richtige Ladekabel dabei. Ich habe mich außerdem dafür eingesetzt, dass man mit dem neuen Handy nicht immer auch ein neues Kabel kaufen muss, sondern auch ohne Kabel kaufen kann. So sparen wir nicht nur Geld, sondern vor allem auch Ressourcen und somit Elektroschrott.
So ein Gesetzgebungsprozess geschieht ja nicht von heute auf morgen, sondern dauert oft viele Wochen, Monate und manchmal Jahre. Wann hat das Ganze eigentlich angefangen und was war deine Rolle dabei?
Die Idee für ein einheitliches Ladekabel ist im Europaparlament vor über zehn Jahren entstanden, um ganz praktisch den Alltag der Menschen in Europa zu vereinfachen – gegen den Lobbydruck von Apple und Co, die an ihrem Ladekabel festhalten wollten. In dieser Legislaturperiode ist dann auch durch meine Arbeit richtig Schwung reingekommen. Zusammen mit Umwelt- und Verbraucherverbänden haben wir die Europäische Kommission immer wieder aufgefordert, endlich ein Gesetz vorzulegen. Die Chancen dafür waren gut, denn der europäische Green Deal und auch ein neuer Aktionsplan für Kreislaufwirtschaft haben die Weichen auf Ressourcen- und Klimaschutz in der EU gestellt. Auf unser Drängen kam dann das Gesetz, das ich für die Grüne Fraktion und auch am Ende im Trilog mit den anderen Institutionen Rat und Kommission verhandelt habe. Mich macht richtig zufrieden, dass dieser lange Prozess am Ende so unseren Alltag verändert.
So ein Gesetz ist gerade in einem so komplizierten Konstrukt wie der EU ja am Ende auch immer ein Kompromiss. Gibt es auch Dinge, die du gern an der Regelung ändern würdest?
Glücklicherweise waren sich die Fraktionen im Europaparlament, aber auch Rat und Kommission im Grundsatz einig: Wir alle wollten das einheitliche Ladekabel. Daher waren die Verhandlungen im Detail ziemlich technisch. Wir haben beispielsweise länger diskutiert, wie genau Verbraucher*innen über das Ladekabel durch ein Symbol auf der Verpackung informiert werden sollen. Bei einem größeren Punkt allerdings konnte ich mich nicht durchsetzen: Ich wollte, dass Ladekabel und Gerät immer getrennt verkauft werden müssen. Meiner Meinung nach hätte das die größte Einsparung von Ressourcen bedeutet. Am Ende kam dann nur eine Option heraus: Verbraucher*innen können Kabel und Gerät einzeln – oder aber wie gehabt zusammen kaufen.
Was bedeutet dieses Schaffen von Standards in der Technikindustrie durch den Gesetzgeber für andere Bereiche? Also ist jetzt der erste Schritt getan, um zum Beispiel auch Kommunikationsmöglichkeiten zwischen verschiedenen Messangern zu schaffen, so wie es auch schon zwischen verschiedenen E-Mail-Anbietern funktioniert?
Als Vorsitzende des Binnenmarktausschusses liegen viele dieser auf den ersten Blick sehr technischen Regelungen auf dem Tisch. Das Ziel war ursprünglich, dass Unternehmen und Verbraucher*innen im gemeinsamen Markt reibungslos und grenzüberschreitend handeln, kommunizieren oder einkaufen können. In den letzten Jahren wurde daraus aber mehr. Genau durch solche Regelungen können wir aktiv gegen die Klimakrise kämpfen, wenn wir zum Beispiel Unternehmen dazu verpflichten, Produkte oder Verpackungen nachhaltig zu designen, sodass sie länger leben, reparierbar sind und recyclet werden können. Hinzugekommen ist auch der gesamte digitale Bereich. Mit den Gesetzen über digitale Märkte und digitale Dienstleistungen haben wir uns dafür eingesetzt, dass User*innen miteinander chatten können, egal welche Messenger sie nutzen. Jetzt kommt es auf die richtige Umsetzung an, sodass Unternehmen die neuen Regeln auch wirklich komplett einführen.
Die Rechtsvorschrift könnt ihr hier im Original nachlesen.
2022 gewann ein Video zum Thema „Einheitliche Ladekabel in der EU“ den 2. Preis der Kategorie A (bis Klassenstufe 10) des „Erklärbär“-Erklärvideo-Wettbewerbs der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung:
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- pexels-markus-spiske-229021: Markus Spiske/Pexels