Pretty Privilege – Das steckt dahinter

Dilnoza, 27

Pretty Privilege – Das steckt dahinter


Alle so schön hier!

Kennt ihr den „Beauty-Scanner“-Trend auf TikTok oder Instagram? Ein Filter errechnet einen Prozentsatz dafür, wie „schön“ ein Gesicht ist.  Dass „Schön sein“ was zählt, das kennt ihr vielleicht auch aus Filmen oder Serien: „Gossip Girl“, wo die Schönen und Reichen alles haben; „Bridgerton“, wo es der etwas rundlicheren Penelope schwerfällt, auf sich aufmerksam zu machen und zuletzt auch in fast allen Disneyfilmen, wo die Guten immer „schön“ dargestellt werden und die Bösen als „hässliche“ Kreaturen. Erinnert ihr euch beispielsweise an die die Meerhexe Ursula bei Ariel?

In diesem Beitrag erfahrt ihr, welche Vorteile, aber auch welche Nachteile es hat, wenn man als konventionell „schön“ angesehen wird – und was dahinter steckt.

Pretty Privilege

„Pretty Privilege“ ist das „Privileg“ von Menschen, die gesellschaftlich als „schön“ gelten. „Schöne“ Menschen werden automatisch von der Gesellschaft als erfolgreicher, geselliger, glücklicher (gemeint ist auch weniger depressiv und mental gesünder), sozial kompetenter und vertrauenswürdiger eingestuft – und zwar allein aufgrund ihres Aussehens.

Schöne Kriminelle

In diversen Studien zu Pretty Privilege wird belegt, dass den „schönen“ Menschen mehr Verantwortung gegeben wird und sie viel mehr Aufmerksamkeit erhalten als andere. Zudem vertrauen wir „schönen“ Menschen instinktiv mehr. Wenn man demnach als normschön wahrgenommen wird, sind die anderen Leute sehr viel netter zu einem. Das Schockierende daran ist, dass wir „schönen“ Menschen auch sehr viel mehr durchgehen lassen.

Gut zu wissen

Wenn in diesem Beitrag von „Schönheit“ die Rede ist, dann beschreibt das das, was in einer Gesellschaft als „schön“ definiert wird. Manchmal wird dafür auch die Formulierung „konventionell schön“ oder „normschön“ verwendet. Für Schönheit gibt es jedoch keine Norm. Allein die Einteilung in „schön“ und „nicht schön“ ist durchaus kritisch zu sehen. Trotzdem verwenden wir den Begriff in diesem Beitrag, um deutlich zu machen, dass es wichtig ist, dass wir uns dieser „schönen“ Schubladen bewusst sind.

Ted Bundy, ein US-amerikanischer Serienmörder und Sexualstraftäter, der zwischen 1974 und 1978 mindestens 30 Frauen und junge Mädchen ermordete, nutzte beispielsweise sein Aussehen, um Frauen zu verführen und sie dazu zu bringen, ihm zu vertrauen – bevor er sie an entlegene Orte entführte, um sie umzubringen. Als er hingerichtet werden sollte, bildeten sich regelrechte Fanclubs, die gegen sein Verurteilung protestierten. 30 Jahre nach seinen Verbrechen hat Netflix 2019 eine Doku-Serie über ihn veröffentlicht. Danach startete im Netz ein Hype um das gute Aussehen des verurteilten Mehrfach-Mörders.

Ein weiteres Beispiel ist Jeremy Micks. Er wurde mehrfach wegen Raubes, schwerer Körperverletzung und Besitzes einer Schusswaffe festgenommen und zu einer 27-monatigen Haftstrafe verurteilt. Sein letztes Polizeifoto ging jedoch 2014 auf Facebook viral und tausende von Menschen verlangten seine Freilassung – schlichtweg weil er „zu schön“ für das Gefängnis sei. Zahlreiche Artikel und Nachrichten über den „heißen Sträfling“ verbreiteten sich. Letztendlich hat er noch im Gefängnis einen Managementvertrag unterzeichnet und arbeitete direkt nach seiner Entlassung als Model auf Laufstegen. Mittlerweile betätigt er sich auch als Schauspieler.

Der Halo Effekt

Der Halo Effekt – zu Deutsch: der „Heiligenschein-Effekt“ beschreibt das Phänomen, wenn man jemandem aufgrund seines Aussehens bestimmte Eigenschaften zuschreibt. Denn unser menschliches Hirn lässt uns glauben, dass schöne Menschen automatisch geselliger, warmherziger, gesünder, intelligenter und kompetenter sind. All das führt dazu, dass gutaussehende Menschen in Schule, Ausbildung, Job tatsächlich oft erfolgreicher sind – und auch im Dating.

Zwar gibt es Studien, die belegen, dass „schöne“ Menschen nicht produktiver oder kreativer als andere sind. Trotzdem können sie beispielsweise im Job mehr Geld verdienen, weil sie durch die vermehrte Aufmerksamkeit, die sie erhalten, mehr Selbstvertrauen in ihre Fähigkeiten haben. Und Selbstbewusstsein ist eine Eigenschaft, die von Arbeitgeber:innen sehr geschätzt wird.

Warum ist Schönheit so wichtig?

Die Bedeutung von „Schönheit“ hängt auch mit der Entwicklungsgeschichte des Menschen zusammen: Attraktivität signalisiert Gesundheit, Vitalität und Fruchtbarkeit. Es hat sich also im Laufe der Zeit so ergeben, dass wir mit Blick auf das Äußere einen Menschen direkt beurteilen, um mögliche Geschlechtspartner:innen zur Fortpflanzung finden zu können. Es ist also ein Instinkt aus längst vergangen Zeiten, zuerst das Aussehen zu bewerten, um das Überleben zu sichern.

Negative Auswirkungen von Pretty Privilige

Pretty Privilege hat aber nicht nur positive Folgen wie bessere Noten, beruflichen Erfolg und bessere Chancen bei der Partner:innensuche. Was ist zum Beispiel mit denjenigen, die gar nicht den gesellschaftlichen „Normwerten“ von „schön“ entsprechen? Oder was ist mit den Menschen, die als „schön“ gelten und wahrgenommen werden, aber extrem darunter leiden? Beispielsweise durch zu viel und falsche Aufmerksamkeit? Problematisch ist auch die Annahme, dass hübsche Menschen weniger Probleme hätten, da sie beispielsweise „zu hübsch“ seien, um psychische Erkrankungen zu erleiden. Dadurch besteht die Gefahr, dass solche Erkrankungen bei „hübschen“ Menschen leicht übersehen oder banalisiert werden.

Zudem werden schöne Menschen oft einfach auf ihr Aussehen reduziert und dadurch werden ihnen direkt bestimmte Eigenschaften, Schwächen und Stärken zugeschrieben. Manchmal spricht man hübschen Menschen auch ihre Intelligenz ab und abwertende Aussagen wie „…aber dafür ist sie (oder er) sehr hübsch!“  können sehr verletzend sein.

Mehr zu den negativen Auswirkungen von Schönheitsidealen erfährst du hier:

https://wtf.slpb.de/schoenheit-als-vorteil/  

https://www.ardaudiothek.de/episode/ab-21-deutschlandfunk-nova/pretty-privilege-wie-schoen-sein-uns-im-leben-weiterhilft/deutschlandradio/94679812/