Simon, 18
Was hat „KI“ mit Papageien zu tun?
Sogenannte „Künstliche Intelligenz“ hat das Potential, unser Leben, Lernen und Arbeiten auf den Kopf zu stellen. Weil wir im April auf der Buchmesse in Leipzig unterwegs waren, haben wir uns diesen Bereich mal genauer angeschaut.
Schon heute wird „Künstliche Intelligenz“ an vielen Stellen beim Erstellen von Büchern als Hilfe verwendet: Die automatische Korrekturhilfe von Schreibprogrammen, maschinelle Zusammenfassung von Texten, Online-Übersetzungen.
Beim Thema „Künstliche Intelligenz“ muss man grundlegend zwischen zwei Arten unterscheiden:
Schwache KI
Durch „machine learning“ geht die KI vorhandene Inhalte durch und erkennt darin dann Muster. Auch das Durchsuchen von großen Datenmengen zählt zu schwacher KI. Sie ist sehr gut darin, gegebene Aufgaben zu lösen. Beispiele sind Sprach-Assistenten, wie Siri und Alexa, die Gesichtserkennung beim Smartphone oder auch die Bilderkennungsfunktion von Google.
Starke KI
Das Konzept von starker KI existiert bislang nur theoretisch und ist nicht umgesetzt. Sie erkennt selbst, welche Probleme gelöst werden müssen, erarbeitet sich dann ohne Anweisungen von außen einen Lösungsweg und kommt am Ende zu einem Ergebnis, das es auch noch nicht geben muss und das damit kreativ sein kann.
Für Interessierte: ein Vergleich der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt zu schwacher vs. starker „KI“
Alle bislang entwickelten „Künstlichen Intelligenzen“ können also nur aufgrund der Muster, die sie in bestehenden Inhalten erkennen, eine Lösung für ein Problem finden. Da das im Vergleich zur menschlichen Intelligenz nur eine relativ schwache Fähigkeit ist, lehnen es viele Expert:innen ab, bei dieser Art von Technologie von „Intelligenz“ zu sprechen. Auch ich habe das Wort „Künstliche Intelligenz“ deswegen immer in Anführungszeichen gesetzt. Da sie nur vorhandenes berechnet und neu angeordnet wiedergeben kann, wird sie auch als „stochastischer Papagei“ bezeichnet.
Stochastik – Kurz und knapp
Die Stochastik ist ein Teilgebiet der Mathematik, das sich mit Zufällen und Wahrscheinlichkeiten beschäftigt. Für „KIs“ ist die Stochastik deshalb sehr wichtig. Wenn beispielsweise in sehr vielen Texten hinter dem Wort „grüner“ das Wort „Grashalm“ steht, dann kann die „KI“ davon ausgehen, dass es wahrscheinlich richtig ist, wenn sie in ihrem neu erstellten Text hinter das Wort „grüner“ auch wieder „Grashalm“ schreibt.
Der Name „stochastischer Papagei“ klingt schonmal weniger furchteinflößend und zeigt auch, warum diese Technologie auch in naher Zukunft nicht in der Lage sein wird, hochwertige Bücher für uns zu schreiben. Stochastische Papageien können nichts Neues erfinden und nicht kreativ sein. Sie können nicht die tiefgründigen Botschaften in Bücher einbauen, die gute Autor:innen in ihre Geschichten stecken.
Allerdings heißt das nicht, dass sie deshalb in Zukunft keine Bedeutung haben. Schon jetzt zeigen sich negative Auswirkungen: So lernen ChatGPT und Co. nahezu immer von Texten, ohne dass deren Autor:innen davon wissen oder sogar Geld dafür bekommen würden. Ihr Eigentum wird also benutzt, um eine Technologie zu fördern, die dann zu den Autor:innen selbst in Konkurrenz tritt.
Schwache „KI“s werden unter anderem auch dazu genutzt, Daten von E-Book-Leser:innen zu ermitteln. Wie lange verweilt jemand auf welcher Seite und welche Bücher werden generell besonders häufig gelesen? Durch die Beantwortung dieser Fragen können Verlage immer mehr nur noch die Bücher veröffentlichen, die besonders erfolgreich sind. Unbekannteren Autor:innen, die Bücher schreiben, die sich vielleicht nicht so zahlreich verkaufen, dafür aber literarisch einen großen Wert haben, haben dann immer schlechtere Chancen, veröffentlicht zu werden. Wenn die Buchbranche noch mehr als schon heute nur darauf schaut, wie gut sich Literatur verkauft, laufen wir Gefahr, dass wichtige Ideen verloren gehen.
Stochastische Papageien sind nicht kreativ. Sie plappern nach und geben nur das wieder, was es schon gibt. Wir müssen selbst entscheiden, ob wir uns immer wieder nur Aufgewärmtes und neu Angeordnetes vorsetzen lassen wollen, oder ob wir auf das setzen, was gute Bücher ausmacht: Kunst, Kreativität und wahre Intelligenz.
DLF: Essay und Diskurs. Chatbots und Co – Schreiben nach KI – artifizielle und postartifizielle Texte. (online: https://www.deutschlandfunk.de/schreiben-nach-ki-artifizielle-und-postartifizielle-texte-100.html)
MDR: Das Große Ganze. KI und ChatGPT. Die Ethik des Virtuellen. (online: https://www.mdr.de/nachrichten/podcast/grosse-ganze/audio-kuenstliche-intelligenz-chat-gpt-ki-100.html)
Die Filmanalyse. Episode 94. Wird ChatGPT bald Filme schreiben, drehen und analysieren? (online: https://www.youtube.com/watch?v=BL5wqF7TLFM)
Technische Hochschule Würzburg-Schweinfurt: Schwache vs. Starke KI (online: https://ki.thws.de/thematik/starke-vs-schwache-ki-eine-definition/)
Das Magazin der Bundesregierung. 3/2019. Wie uns Künstliche Intelligenz hilft. (online: https://www.bundesregierung.de/resource/blob/975292/1643004/6c42140461b13b6ee5bf44006fa42f0d/schwarzrotgold-03-2019-download-bpa-data.pdf?download=1)
Syndikat e.V.: KI – Chancen und Risiken. Gespräch auf der Leipziger Buchmesse 2023, Halle 5 Stand A700. 28.04.2023, 14:30 Uhr. Gespräch u.a. mit Nina George, Präsidentin des European Writers Council; Jens J. Kramer, Vorsitzender der Schriftstellervereinigung Syndikat e.V.