Generationskonflikt: Warum Streit zwischen Generationen nicht hilfreich ist

Helena, 17 Jahre

Warum Streit zwischen Generationen nicht hilfreich ist

Boomer sind schuld am Klimawandel und tun nichts dagegen. Gen Z ist zu faul zum Arbeiten und ruht sich auf dem Wohlstand aus

Immer wieder gibt es auf Social Media Beiträge, die sich über bestimmte Generationen beschweren. Dabei geht es um politische Themen, wie Klimawandel oder Arbeitseinstellung. Aber auch aus anderen Themen, zum Beispiel Ernährung oder Kleidung, wird ein hitziger Streit entfacht: „Mittelscheitel vs. Seitenscheitel“ steht stellvertretend für „Millenials vs. Gen Z“. Millenials tragen stereotypisch alle einen Seitenscheitel, während Gen Z auf den Mittelscheitel schwört, so die Vorurteile.

Ein weiteres Beispiel für den Streit zwischen Generationen auf Social Media ist der Ausdruck „Ok Boomer“. „Ok Boomer“ war 2019 sehr verbreitet, um damit auf seltsame Vorwürfe der älteren Generation zu reagieren. Ein Streit wurde also mit einer kurzen Antwort beendet, nach dem Motto „Die Diskussion bringt sowieso nichts, weil Boomer nicht lernbereit sind“.

Aber wer sind diese Boomer überhaupt? Und warum die ständigen Streitereien zwischen den Generationen?  

Was bedeutet „Generation“?

Eine „Generation“ ist eine Gruppe von Menschen, die in einem bestimmten Zeitraum geboren sind und dadurch ähnliche soziokulturelle Einflüsse Werte und Verhaltensweisen teilen. Diese soziologische Prägung des Begriffs geht auf Karl Mannheim zurück, der 1928 seinen Aufsatz „Das Problem der Generation“ schrieb. Mannheim beschreibt darin, dass sich nah beieinander liegende Geburtenjahrgänge zusammengehörig fühlen. Dieses Gefühl entsteht nicht nur durch ein ähnliches Alter, sondern auch durch gemeinsame historische Erfahrungen.

Seitdem ist ein großes Feld an Generationsforschung entstanden. Generationsforschung teilt die Gesellschaft in bestimmte Generationen ein, um diese gesondert untersuchen und miteinander vergleichen zu können.

Bereits nach einer kurzen Internetsuche zu Generationen wirst du verwirrt sein. Zählen zur Generation Z die Jahrgänge bis 2009, oder doch bis 2012? Es kursieren verschiedene Daten, denn die Einteilung nach Jahrgängen ist willkürlich. Ein Kind, das am 1. Januar 2010 geboren wurde und damit zur neuen Generation Alpha gehört, wird keine anderen gesellschaftliche Einflüsse haben als ein Kind, dass an Silvester 2009 geboren ist, logisch. Aber irgendwo muss eine Grenze gezogen werden, um eventuelle Unterschiede zu untersuchen.

Diese Generationsunterschiede wissenschaftlich zu erfassen, ist allerdings sehr schwierig. Das hat vor allem zwei Gründe:

Alterseffekte

  • Bestimmte Einstellungen und Bedürfnisse entstehen einfach aufgrund des Alters. Zum Beispiel haben Boomer eine höhere Motivation für Arbeit. Aber das ist kein Alleinstellungsmerkmal der Boomer-Generation, sondern typisch für ältere Menschen im Allgemeinen, wie diese Studie zeigt.
    Um diese sogenannten „Alterseffekte“ von wirklichen Eigenschaften einer Generation zu trennen, hätte man heute 70-Jährige vor 50 Jahren befragen müssen, um deren Antworten mit denen heute 20-Jähriger zu vergleichen. Das ist aber viel zu aufwändig und dauert sehr lange.

 

Periodeneffekte

  • Zudem gibt es sogenannte „Periodeneffekte“. Das beschreibt, dass es historische Ereignisse gibt, die die Gesellschaft und ihre Werte verändern. Zum Beispiel die Corona-Pandemie oder der technische Wandel. Diese Veränderung findet aber meist in allen Altersgruppen statt.

 

Die Einteilung in Generationen ist also ein schwer erforschbares Konzept und deswegen wissenschaftlich umstritten. Für den Psychologen Hannes Zacher sind Generationen beispielsweise ein erfundener Mythos. Trotzdem werden Generationsunterschiede immer wieder diskutiert.

Ein Vorteil der Generationen: Identifikation

Der Psychologe Hannes Zacher, der das Generationenkonzept scharf kritisiert, sieht auch Vorteile darin. Über Generationen können sich Menschen identifizieren, auch wenn die Einteilungen seiner Meinung nach erfunden sind. Man kann sich abgrenzen und bildet über vermeintlich gemeinsame Eigenschaften eine Gruppe, die Zusammenhalt bietet. Das lässt sich auch auf Social Media beobachten, wenn eine Generation „ihren“ Stil und „ihr“ Verhalten feiert – oder auch darüber lacht.

Gefährliche Stereotype

Durch diese Gruppenbildung entstehen aber auch Stereotype. Stereotype sind gefährlich, weil sie ein verallgemeinertes Bild schaffen, das oft nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Vielleicht wird das Generationskonzept so viel verwendet, um Adultismus, also die Stigmatisierung von jungen Menschen, zu verstecken. Man sagt lieber „Generation Z ist schuld“, weil das wissenschaftlicher klingt als: „Die Jugend ist schuld“.  

Um das zu verdeutlichen, kannst du hier zwei Vorurteile gegen über der Generation Z und deren Entlarvung lesen.

  • Diese Studie untersuchte mehrere Umfragen über einen langen Zeitraum. Das Ergebnis: Die Einstellung zur Arbeit ändert sich nicht von Generation zu Generation, sondern mit dem Alter. Für 20-Jährige ist Arbeit nicht so wichtig wie für 40-Jährige. 20-Jährige hingegen formulieren eher Forderungen nach anderen Arbeitsbedingungen. Zum Beispiel wird die Forderung nach einer 4-Tage-Woche oft der Faulheit der Generation Z zugeschrieben. Solche Vorschläge braucht es aber, um die Arbeitswelt an neue Bedingungen anzupassen und zum Positiven zu verändern.
  • Generation Z wird auch Generation Greta genannt. Greta Thunberg startete die Fridays for Future Proteste, an denen sich viele junge Menschen beteiligten. Fridays for Future gilt als politisch links und progressiv. Das wird häufig auf die gesamte Generation übertragen, was aber falsch ist.

Erstwählende im Osten Deutschlands sind nach dieser Umfrage überzeugt, andere Menschen in ihrem Alter würden Grüne oder Linke wählen. Tatsächlich liegen auf den ersten Plätzen AfD und CDU.

Unabhängig von der politischen Einstellung unterscheiden sich die Prioritäten der Jugendlichen gar nicht so sehr von denen Älterer. Das zeigt diese Studie. Themen wie Sicherheit, Hilfsbereitschaft oder Zuverlässigkeit haben tatsächlich für alle Generationen einen hohen Stellenwert.

Generationskonflikte gab es schon immer

Schon immer beschwerten sich die Alten über die Jungen. So zum Beispiel auf einer sumerischen Tontafel, die ungefähr 5000 Jahre alt ist:

„Die Jugend achtet das Alter nicht mehr, zeigt bewusst ein ungepflegtes Aussehen, sinnt auf Umsturz, zeigt keine Lernbereitschaft und ist ablehnend gegen übernommene Werte“

Oder das Zitat eines babylonischen Kulturkritikers vor ca. 5000 Jahren:

„Die heutige Jugend ist von Grund auf verdorben, sie ist böse, gottlos und faul. Sie wird niemals so sein wie die Jugend vorher, und es wird ihr niemals gelingen, unsere Kultur zu erhalten“

Aber auch in die andere Richtung, fand Abwertung statt. Der ägyptische Dichter und Philosoph Ptahhotep schrieb vor mehr als 4000 Jahren:

„Das Alter ist das schlimmste Unglück, das einem Menschen widerfahren kann.“

Diese Zitate könnten bis in die heutige Zeit weitergeführt werden. Auch aktuell zeigen sich Vorurteile gegen die jeweils andere Generation. Nur werden die Menschen eben als Generation Z oder Boomer zusammengefasst.


Fazit: Streitet, aber nicht um Generationen


Egal ob auf alten Tontafeln oder in aktuellen Social-Media-Diskussionen: Es herrscht ein ständiger Streit zwischen Generationen, in denen die jeweils anderen Altersgruppen abgewertet werden. Dieser Streit muss auch ausgetragen werden, um die richtigen Lösungen für Probleme zu finden.

Doch statt nach konstruktiven Lösungen zu suchen, wird die Schuld auf „die konservativen Boomer“ oder „die verweichlichten Millenials“ abgeschoben. Dabei sollten wir uns nicht von vermeintlichen Generationsunterschieden spalten lassen. Generationen sind wissenschaftlich gar nicht erfassbar und bringen viele gefährliche Stereotype mit sich. Klar können Comedy-Videos über die Eigenheiten der Generationen auch einfach lustig sein. Du solltest das nicht zu ernst nehmen. Die angeblichen Generationen sind einander ähnlicher, als du vielleicht gedacht hast.


How millions of K-pop fans became an internet army of social activists (25.06.2020). SBS News. URL: https://www.sbs.com.au/news/article/how-millions-of-k-pop-fans-became-an-internet-army-of-social-activists/6s8o0e6bu

Braun, Stuart. (04.07.2020). Politische K-Pop-Fans, unpolitische Stars. Deutsche Welle. URL: https://www.dw.com/de/k-pop-fans-werden-politisch-ihre-stars-nicht/a-54048516

Why Obsessive K-Pop Fans Are Turning Toward Political Activism (06.09.2021). The New York times. URL: https://www.nytimes.com/2020/06/22/arts/music/k-pop-fans-trump-politics.html

How K-Pop Fans Actually Work as a Force for Political Activism in 2020. Time. URL: https://time.com/5866955/k-pop-political/

The Guardian view on Korean soft power: harder than it looks. The Guardian. URL: https://www.theguardian.com/commentisfree/2022/oct/28/the-guardian-view-on-korean-soft-power-harder-than-it-looks

Von wegen verrückt – Wenn sich K-Pop Fans organisieren. Kopfzeile Studierendenmagazin. URL: https://kopfzeilemagazin.com/2022/10/11/von-wegen-verruckt-wenn-sich-k-pop-fans-organisieren/

K-Pop: Erfolgswelle auch in Deutschland. Deutsche Welle. URL: https://www.dw.com/de/k-pop-erfolg-deutschland/a-62765237

Wenn Social Media ein Kunstwerk wär. Zeit Online. URL: https://www.zeit.de/kultur/2022-09/k-pop-koreanische-welle-hallyu?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F

Kpop idol – Life and career of the Korean music artists. (2023, 30. Januar). 90 Day Korean. URL: https://www.90daykorean.com/kpop-idol