Was ist Recht und was ist Unrecht? Was ist dieser Rechtsstaat, von dem man in Deutschland immer spricht? Seit wann geben sich Gesellschaften überhaupt feste Regeln für ihr Zusammenleben? Diesen und weiteren Fragen geht Mirko Drotschman für Euch auf den Grund.

Gewaltenteilung: Wer teilt was mit wem?

Wenn jemand gegen Gesetze verstößt, kann der Staat dafür sorgen, dass er oder sie bestraft wird. Aber der Staat selbst darf keineswegs machen, was er will. Er muss sich auch an Gesetze halten. Um zu verhindern, dass politische Macht missbraucht wird, ist die Staatsgewalt in Deutschland geteilt.

Die Legislative ist die gesetzgebende Gewalt. Bevor ein Gesetz entsteht, müssen bestimmte Regeln eingehalten werden. So können die Regierung, der Bundesrat oder Mitglieder des Bundestages eine Gesetzesinitiative starten. Sie legen dazu einen Entwurf vor. In unserer Demokratie entscheiden Parlamente in Bund und Ländern, ob entsprechende Vorschläge angenommen und zum Gesetz werden sollen.

Die Exekutive ist die ausführende Gewalt. Sie sorgt dafür, dass die Gesetze nicht nur auf dem Papier stehen, sondern auch im täglichen Leben umgesetzt werden – z. B. die Polizei oder die Verwaltung. Sie kümmern sich darum, dass alles seine Ordnung hat und richtig abläuft. Auf der Ebene des Bundes ist die Regierung die ausführende Gewalt, also die Bundeskanzlerin und die Ministerinnen und Minister.

Die Judikative ist die rechtsprechende Gewalt. Richterinnen und Richter sorgen dafür, dass Verstöße gegen Gesetze nach bestimmten Regeln verhandelt werden. Wer für schuldig befunden wird, wird bestraft. Richterinnen und Richter sind unabhängig, das heißt: Weder die Regierung noch irgendeine andere Einrichtung oder Person kann sie zwingen, ein Urteil zu fällen, das sie nicht richtig finden.

Neues Polizeigesetz?

Im September 2018 hat die schwarz-rote Regierung in Sachsen einen neuen Gesetzentwurf für die Polizei im Freistaat vorgelegt. In 107 Paragraphen soll geregelt werden, was die Frauen und Männer in Uniform dürfen und was nicht. Doch warum die Änderung? Der sächsische Innenminister Roland Wöller (CDU) ist davon überzeugt, dass das alte Gesetz nicht mehr zeitgemäß ist.

Durch die Gefahr des Terrorismus braucht die Polizei mehr Rechte um die Bürgerinnen und Bürger zu schützen. So soll beispielsweise die Videofahndung ausgeweitet werden und der Einsatz von elektronischen Fußfesseln möglich werden. Spezialkräfte der Polizei sollen stärker bewaffnet werden. Der Entwurf regelt auch Details wie das Aufzeichnen von Notrufen und den Einsatz sogenannter Bodycams.

Beschlossen ist das Gesetz allerdings noch nicht. Der sächsische Landtag muss dem Entwurf erst noch zustimmen. Die Oppositionsfraktionen sind mit dem Vorschlag des Innenministeriums noch ziemlich unzufrieden. Linkspartei und Grüne finden nämlich, dass durch die zusätzliche Überwachung in die Grund- und Freiheitsrechte der Bevölkerung eingegriffen wird. Die Grünen sind außerdem überzeugt, dass man statt mehr Befugnissen lieber mehr Polizistinnen und Polizisten anstellen sollte. Die Linke denkt sogar über eine Klage vor dem Verfassungsgericht nach.

Der AfD hingegen geht der Entwurf noch nicht weit genug. So fordert die Partei, die Polizei auch mit Tasern und Bodycams auszurüsten. Die FDP, die seit 2014 nicht mehr im Landtag sitzt, möchte darüber hinaus deutlich mehr Beamtinnen und Beamten einstellen und die Polizei mit moderner Technik ausstatten – zum Beispiel: Hubschrauber.

Auch die mitregierende SPD hat noch Bedenken. „Wenn der Bürger transparenter wird, muss auch die Polizei transparenter werden“, sagt Albrecht Pallas. Er denkt an eine Kennzeichnungspflicht der Beamtinnen und Beamten.Diese möchte die SPD gerne mit umsetzen, während sich die CDU bislang dagegen sträubt. Andere Kritiker verstehen nicht, warum man das neue Gesetz überhaupt braucht. Schließlich ist die Kriminalstatistik im Moment auf dem niedrigsten Stand seit 25 Jahren.

„Jugendliche erziehen, nicht bestrafen“

Ein T-Shirt mitgehen lassen, Schwarzfahren oder Hauswände beschmieren. Für solche Taten werden Jugendliche oft anders bestraft als Erwachsene. Warum eigentlich? Ein Interview mit Jugendrichterin Nicola Lindner.  

In Deutschland gibt es tausende Gesetze und Vorschriften. Wofür das alles?

Das ist notwendig, um unser Zusammenleben zu regeln. Ich gebe ein Beispiel: Wenn ich ein Spiel kaufe, zum Beispiel Monopoly, dann gibt es dazu auch immer eine Anleitung, die genau erklärt, wie das Spiel funktioniert. Nur wenn ich die gelesen habe, kann ich spielen. Und wer sich nicht an diese Regeln hält, fliegt raus. In einer Gesellschaft ist das nicht wirklich anders.

Auch Jugendliche begehen Straftaten. Warum werden die anders bestraft als Erwachsene?

Im Jugendstrafrecht ist es nicht unsere Aufgabe, Jugendliche zu bestrafen, sondern sie zu erziehen. Wir versuchen, sie in die richtige Richtung zu lenken. Denn Jugendliche begehen oft Straftaten, weil sie Probleme haben – Geldprobleme, Probleme Zuhause oder in der Schule. Orientierungslosigkeit spielt dabei eine große Rolle. An diesem Punkt können wir einhaken und sie beispielsweise zur Schuldnerberatung schicken oder andere Maßnahmen treffen, die ihnen weiterhelfen.

Ist es nicht besser, die Täter gleich ins Gefängnis zu stecken, damit sie eine spürbare Folge haben?

Das wäre eine unverhältnismäßige Antwort auf das Fehlverhalten des Täters oder der Täterin. Wenn ich die Hausaufgaben nicht gemacht habe, dann fliege ich ja auch nicht gleich von der Schule. Ich werde erstmal ermahnt, in Zukunft die Hausaufgaben zu machen.

Als Richterin sprechen Sie das Urteil. Wie entscheiden Sie, wer welche Strafe bekommt?

Ich schaue mir den Fall genau an und wäge Positives und Negatives miteinander ab. Hat der oder die Angeklagte ein Geständnis abgelegt und deutlich gemacht, dass es ihm oder ihr ehrlich leid tut? Gab es eine Entschuldigung beim Geschädigten? Positiv ist natürlich auch, wenn es die erste Straftat war. Auch die persönlichen Umstände und die Höhe des Schadens spielen eine Rolle. Negativ ist, wenn jemand schon mehrmals vor Gericht stand und alles, was wir versucht haben, nichts gebracht hat. Und wer in einer Verhandlung zu lässig auftritt, gibt auch kein wirklich gutes Bild ab.

Sie sind wie eine Fußball-Schiedsrichterin und müssen alle fair behandeln. Ist das schwierig?

Nein! Ich nehme mir die Gesetzesbücher und wende sie an. Was ich persönlich von jemandem denke, ist dabei völlig egal und darf keine Rolle spielen. Daher haben Richter auch eine Robe an. Sie entscheiden nicht als Individuum, sondern als Organ der Rechtspflege.

Urteile sind manchmal sehr unterschiedlich. Glauben Sie, dass Recht gerecht sein kann?

Es gibt Fälle, in denen der gleiche Tatbestand zu völlig unterschiedlichen Rechtsfolgen führt. Das liegt daran, dass die Lebenssituation der Täter oft sehr unterschiedlich ist und man sie nicht miteinander vergleichen kann. Daher empfehle ich, nie ein Urteil zu fällen, wenn man nicht wirklich die Gesamtumstände kennt.