Die Pole schmelzen, Australien brennt, der Meeresspiegel steigt, Treibhauseffekt, CO2-Emissionen, Massentierhaltung... Alle reden über das Klima. Wir möchten einen Überblick über die wichtigsten Aspekte des Themas verschaffen. 

„Am Ende ist die Natur immer die Stärkere“

Michael Succow ist Biologe, Naturschützer, Moor-Forscher und Agrarwissenschaftler aus Greifswald. Im Jahr 1999 gewann er den Right Livelihood-Award, eine Auszeichnung für die Gestaltung einer besseren Welt („Alternativer Nobelpreis“). Mit dem Preisgeld gründete Michael Succow seine eigene Stiftung. #wtf?! hat mit ihm gesprochen.

Was halten Sie von der Fridays for Future-Bewegung? Bringt es Ihrer Meinung etwas, wenn Jugendliche auf die Straße gehen?

Definitiv. Ich habe große Hoffnung, dass die FFF-Jugend uns alle aus unserer Ohnmacht erweckt und so eine Veränderung stattfindet. Die Jugendlichen, die freitags protestieren, haben verstanden, dass das begrenzte System Erde nicht unbegrenzt wachsen kann. Sie haben erkannt, dass wir unsere Lebensgewohnheiten ändern müssen. Sie sind sauer. Und das zurecht.

Viele Menschen sehen FFF sehr kritisch. Sie sagen, die Jugend hat ein Recht sauer zu sein. Warum denn das?

Viele Erwachsene handeln egoistisch. Sie werden motiviert von persönlichem Gewinn und Macht. Das zerstört nicht nur unsere Gemeinschaft. Egal, was wir tun: Es hat Auswirkungen auf das große Ganze. Und somit auf die Zukunft unserer Jugend. Wir sind Teil eines Systems – des ökologisch gebauten Hauses Erde. Jedes einzelne Teil hat sich einzufügen, hat seine Bedeutung und das ist wichtig für ein reibungsloses Zusammenspiel von Natur und Mensch. Ich vergleiche das gern mit dem menschlichen Organismus. Ob Herz, Leber oder Niere – ohne das Eine kann das Andere nicht funktionieren. Fängt ein Teil an zu zerstören oder zu wuchern – wir sprechen dann von Krebs – bringt das ein sensibles System aus dem Gleichgewicht. Wir Menschen verhalten uns gerade wie giftige Krebszellen. Wir schaden dem großen Ganzen, unserer Erde.

Was braucht es Ihrer Meinung nach – gesellschaftlich und politisch – um unsere Umwelt, den Naturhaushalt, wieder ins Gleichgewicht zu bringen?

Wir müssen lernen, unser Verhältnis zur Natur neu zu ordnen. Wir müssen vernünftig werden. Wir müssen erkennen, dass wir Teil der Natur sind und uns wunderbar einfügen können. Durch ein Zusammenwirken können wir das System „Erde“ optimieren. Aber niemals indem wir versuchen, endlos zu maximieren. Wenn wir weiter versuchen, die Natur zu beherrschen, werden wir verlieren. Am Ende ist die Natur immer die Stärkere.

Was hätte das denn für Konsequenzen?

Wenn wir nicht lernen, zur Natur zurückzukehren und achtsam mit ihr zu sein, dann wird sich die Natur selbst korrigieren. Das Projekt „Natur“ wird immer bestehen bleiben. Ob nun mit dem „vernunftbegabten Wesen“ Mensch oder nicht – das haben wir selbst in der Hand. Das heißt: alles un-ökologische muss konsequent verteuert, alles ökologische konsequent verbilligt werden; wir brauchen endlich eine ökologisch-soziale Marktwirtschaft – so wie wir sie schon zur Zeit der Wende vor 30 Jahren gefordert haben.

Im Jahr 1999 gründeten Sie eine eigene Stiftung. Was genau ist das Anliegen der Michael-Succow-Stiftung?

Unser Anliegen ist es, Natur zu bewahren und zu schützen. Wir arbeiten an Klimaschutzprojekten weltweit und entwickeln Schutzgebiete in Äthiopien, Georgien, im Iran und Zentralasien. Wichtig ist uns dort vor allem auch der Erhalt historisch gewachsener alter Kulturlandschaften und Kulturen wie zum Beispiel der Nomaden in der Mongolei. In Deutschland setzen wir uns für eine naturverträgliche Landnutzung ein, die Nützlichkeit, Schönheit und Vielfalt vereint  – auch auf unseren eigenen Flächen in Nordostdeutschland (insgesamt über 1500 ha). In unseren Wäldern, Mooren und Seen hat die Eigendynamik der Natur Vorrang, hier entstehen neue „Wildnisinseln“. Mit Naturbegegnungspfaden geben wir dieses Wissen weiter.

Sie setzen sich unter anderem für die Wiedervernässung von Mooren ein. Warum ist dies für den Klimaschutz sinnvoll?

Moore als hoch komplexe Ökosysteme gehören zu den wichtigsten Kohlenstoff-Speichern der Erde, vorausgesetzt, sie sind nass. Trockengelegte Moore hingehen stoßen Treibhausgase wie Kohlenstoffdioxid, Stickoxide und Methan aus. Sie sind für fünf Prozent der durch den Menschen verursachten CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich. Mit der Wiedervernässung von Mooren können wir die ihnen von der Natur gegebene Aufgabe wiederherstellen und so einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten.

Und wie sind die Reaktionen auf Ihre Arbeit?

Anfangs wurden wir oft als „Idealisten“ und „weltfremd“ bezeichnet. Doch mittlerweile erfährt die Stiftung große Unterstützung. Es sind so schöne Synergien entstanden, wertvolle Kooperationen mit Gleichgesinnten. Dazu gehören mittlerweile auch immer mehr Wirtschaftsunternehmer und -unternehmerinnen. Sie realisieren: „Ich bin Teil des Problems und muss versuchen, Teil der Lösung zu werden.“

Stand heute: Schädlinge, Temperaturanstieg, Hochwasser

Alle Welt redet vom Klimawandel – aber wie steht es denn um Wald, Wasser und Boden in Sachsen?

Die extreme Hitze und Trockenheit der Jahre 2018 und 2019 hat den Zustand der Wälder in Sachsen erheblich beeinflusst und zu einem außergewöhnlichen Wassermangel geführt. Zudem trafen mehrere heftige Stürme den Wald, die an wenigen Tagen mehr Bäume zu Fall gebracht haben als sonst in einem ganzen Jahr geerntet werden. „Außerdem wurden in einigen Teilen Sachsens junge Bäume von frischem Nassschnee niedergedrückt und Baumkronen gebrochen“, sagt Utz Hempfling, Landesforst-präsident und Geschäftsführer von Sachsenforst.

Durch die Kombination dieser Ereignisse hatten Schädlinge ein leichtes Spiel. „Insbesondere Borkenkäfer konnten sich in bisher unbekanntem Ausmaß massenhaft vermehren“, erklärt Hempfling. Nadelbaumarten wie Fichte, Kiefer und Lärche, die das sächsische Waldbild noch mehrheitlich prägen, sind besonders schwer von den Waldschäden betroffen. Aber auch Laubbäume wie Buche, Birke oder Bergahorn wurden durch Trockenheit und Krankheiten geschädigt oder geschwächt.

Durch die Klimakrise hat sich die durchschnittliche Wassertemperatur von Flüssen und Seen erhöht. Warme Temperaturen tragen dazu bei, dass die Zeit, in der Schnee liegt, verkürzt wird. Das hat Auswirkungen auf die Wasserqualität und den Zustand der Flüsse und Seen in Sachsen. „Der Klimawandel verschärft die Belastung der Gewässer“, sagt die Deutsche Umweltagentur auf ihrer Website. Wasser ist wichtig für Tiere, Pflanzen und Menschen.

Darum sollen Gewässer in Sachsen besonders geschützt und Wasser ökologisch, sozial und wirtschaftlich nachhaltig genutzt werden. Um das zu erreichen, gibt es die Europäische Wasserrahmenrichtlinie (WRRL). Sie wurde von der Europäischen Union initiiert und trat im Jahr 2000 in Kraft. Die WRRL legt Maßnahmen fest, die den Zustand von Flüssen, Seen, Grundwasser etc. länderübergreifend bis 2027 verbessern sollen. Nach der Richtlinie sind Gewässer dann in einem guten Zustand, wenn sie chemisch und ökologisch ihrem natürlichen Zustand nahe sind.

Der Freistaat gibt sich Mühe, diesen Zustand zu erreichen. Dennoch: Im Jahr 2019 befanden sich 35 % der sächsischen Flüsse und Seen in einem schlechten Zustand.

„Die Vielfalt der Böden in Sachsen – Ackerböden, Felsböden, Moore und Sandböden – ist durch den Klimawandel bedroht“, sagt Dr. Ingo Müller. Er ist Referent im Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie und weiß, wie wichtig z.B. Moore als Grundwasserspeicher sind.

„Durch extreme Trockenheit verliert der Boden seine schützende Pflanzendecke; Mooren und Feuchtgebieten fehlt das Wasser.“ Und dieses Wasser ist wichtig, um CO2 im Boden speichern zu können. Hinzu kommt, dass es im Zuge der Klimakrise künftig mehr Starkregen geben wird. Unbedeckter Boden wird abgetragen oder verschlämmt. So kann kein Wasser mehr im Boden gespeichert werden, was wiederum Hochwasser zur Folge haben kann.

Die Klimaschutzaktivistin Greta Thunberg begeistert Massen. Bei Auftritten wird sie gefeiert wie ein Popstar. Innerhalb kürzester Zeit ist sie zur Ikone der Klimabewegung geworden – die aber auch jede Menge Kritik auf sich zieht. Ist die Greta-Bewegung in Wirklichkeit Populismus?

Als Populisten bezeichnet man Politiker, die mit stark vereinfachten Aussagen („einfache Wahrheiten“) die Menschen auf die eigene Seite ziehen wollen. Ziel von Populisten ist es, die Sympathie größerer Gruppen zu gewinnen, um an die Macht zu kommen – dafür nehmen sie es auch schon mal mit der Wahrheit nicht ganz so genau.

In der Wissenschaft wird Populismus vereinfacht auf drei Merkmale reduziert: Abgrenzung zu Eliten, Beschwörung einer Krise und politisch unkorrektes Verhalten („schlechtes Benehmen“).

Abgrenzung zu Eliten

Das erste Merkmal wird von Greta definitiv erfüllt. Die Schwedin grenzt sich und ihre Bewegung ganz klar von „Politikerinnen und Politikern da oben“ ab. Sie sagt, dass diese nicht ausreichend handelten, um die ökologischen Veränderungen aufzuhalten.

Beschwörung einer Krise

Beim Populismus-Merkmal Nummer zwei ist die Bewertung schon schwieriger. Ja, Greta erzählt bei jeder Gelegenheit von der Klimakrise. Das ist für die eine Seite korrekt. Sie argumentiert, dass 98 Prozent der Klima-Wissenschaftler Gretas Meinung teilen. Die Gegner der Bewegung sagen, dass Greta maßlos übertreibt und tatsächlich – rein populistisch – eine Krise heraufbeschwört, die gar keine ist.

Politisch unkorrekt

Die Bewertung, ob Gretas Bewegung das Merkmal der politischen Unkorrektheit bedient, ist ebenfalls umstritten. Sie bleibt höflich und sachlich in Diskussionen, drückt allenfalls ihre Wut und Enttäuschung aus. Sagen zumindest die Befürworter. Andere halten dagegen, dass die Bewegung ja durchaus nicht die klassischen Wege einhält, wie Politik gemacht wird – sondern Schülerinnen und Schüler zu nicht-konformem Verhalten wie Schule schwänzen „manipuliert“.